Jahresplan der Wikimedia Foundation/2024–2025/Externe Trends
Jedes Jahr stellt die Wikimedia Foundation eine Liste externer Trends zusammen, die uns dazu auffordert, nach außen zu blicken und uns zu fragen: „Was braucht die Welt jetzt von unserer Bewegung?“ Trendanalyse erfordert eine langfristige Betrachtung und wir müssen genau erfassen, was für unsere Projekte am wichtigsten erscheint, auch wenn wir unterschiedliche Sichtweisen darauf haben können, wie wir am besten reagieren. Angesichts der zunehmend komplexen und sich schnell verändernden Umgebung ist die folgende keine vollständige Liste von Bedrohungen und Chancen der Wikimedia-Bewegung, sondern eine Liste der dringendsten Probleme, mit denen wir jetzt zu tun haben und die wir seit 2020 verfolgen:
- Suche: Konsument:innen werden von Informationen überflutet und wünschen sich eine Zusammenstellung durch vertrauenswürdige Menschen
- Inhalte: Beitragenden stehen viele lohnende, wirkmächtige Möglichkeiten zur Verfügung, um Wissen online zu verbreiten
- Desinformation: Die Richtigkeit von Inhalten ist umstrittener denn je zuvor und KI wird als Waffe benutzt
- Regulierung: Regulierung bietet Herausforderungen, Bedrohungen und Chancen, abhängig vom Rechtssystem
In diesem Jahr haben wir die Trends zu Suche und Inhalten in zwei Kategorien aufgeteilt: Änderungen in den Vorlieben der Konsument:innen, die die Onlinesuche nach Wissen beeinflussen, und Änderungen am Wo und Wie der Verbreitung von Wissen, die die Motivation der Beitragenden beeinflussen.
Trend 1 – Suche
Konsument:innen werden von Informationen überflutet und wünschen sich eine Zusammenstellung durch vertrauenswürdige Menschen
Die Vorliebe der Generation Z und jüngerer Millenials für kurze, zusammengefasste Informationen von „authentischen“ Persönlichkeiten nimmt zu. Mehr Plattformen als je zuvor können das bieten (bspw. Bluesky, Twitter/X, Substack, TikTok). TikTok dominiert weiterhin; die globale Nutzung hat zugenommen und die Suchfunktionen wurden ausgebaut. Internetsuchmaschinen testen neue KI-Angebote, um wettbewerbsfähig zu bleiben, aber der Erfolg solcher Funktionen ist noch unsicher.
Personalisiertes, von Algorithmen angetriebenes Wissen ist auf dem Vormarsch. Bei der letztjährigen Betrachtung der externen Trends haben wir festgestellt, dass Benutzer:innen zu Apps tendierten, die multimediale Inhalte wie Video und Audio anbieten. In diesem Jahr sehen wir, dass mehr Menschen ihre Informationen am liebsten über Apps beziehen, die nicht nur multimediale Inhalte, sondern stark personalisierte, von Algorithmen angetriebene Inhalte in vielfältigen unterhaltsamen und leicht konsumierbaren Formaten anbieten. Konsument:innen sind auf der Suche nach charismatischen, gleichgesinnten Menschen, die ihre Meinung vertreten, um Wissen zu versammeln und zu pflegen.
Wissen aus objektiven Quellen (also der Internetsuche) ist im Wandel. Um weiterhin Benutzer:innen anzuziehen, veröffentlichen Suchmaschinen neue KI-gestützte Suchfunktionen, die Ergebnisse zusammenfassen. Diese könnten ein neues Muster für Internetsuchen werden und die Zugriffszahlen auf originale Inhalte noch stärker beeinflussen – sie könnten aber auch scheitern. KI wird von den meisten Konsument:innen noch nicht als Ersatz für die Internetsuche genutzt (auch wenn einige Umfragen ergeben haben, dass jüngere Zielgruppen ChatGPT mehr vertrauen als Google).
Trend 2 – Inhalte
Beitragenden stehen viele lohnende, wirkmächtige Möglichkeiten zur Verfügung, um Wissen online zu verbreiten
Onlineplattformen locken gezielt sowohl Expert:innen als auch Amateur:innen an, um mehr Inhalte zu produzieren, inklusive Wissensinhalte. Beitragenden stehen zahlreiche Arten und Möglichkeiten zur Verfügung, um Wissen einfach mit einem Millionenpublikum zu teilen, wobei sie auch finanzielle und persönliche Gewinne machen.
Wissen zu teilen ist einfacher und macht mehr Spaß als je zuvor. Neue Werkzeuge zur Erstellung von Social-Media-Inhalten wie Werkzeuge für Video- und Audioproduktion und generative KI, die früher nur Fachleuten zur Verfügung standen, können nun von allen genutzt werden. Neue Medienarten – Kurzvideos, Podcasts, Memes, virale Trends usw. – erlauben mehr Kreativität und bedienen verschiedene Lernarten.
Wissen zu teilen ist lohnender und wirkmächtiger als je zuvor. Menschen, die auf sozialen Medien Inhalte beitragen, haben starke finanzielle Anreize wie direkte Zahlungen und Sponsoren sowie soziale Anreize durch Publikumsbeteiligung (Likes, Kommentare, Follower) und können schnell und direkt eine enorme Reichweite erzielen, wodurch sie für ein globales Millionen- oder gar Milliardenpublikum Meinungsmacher:innen werden können.
Trend 3 – Desinformation
Die Richtigkeit von Inhalten ist umstrittener denn je zuvor und KI wird als Waffe benutzt
Informationskriege werden intensiver werden und das Vertrauen in Institutionen wird 2024, im größten Wahljahr der Weltgeschichte, weiter zurückgehen. Stark umkämpfte Wahlen in Kombination mit der Ausweitung längerer geopolitischer Konflikte werden politische Kandidierende, Regierungen und andere dazu antreiben, Desinformation im Internet zu nutzen, um Wahlergebnisse zu beeinflussen und die globale öffentliche Meinung zu militärischen Konflikten und sozialen Bewegungen zu lenken.
Bedrohungen der Menschenrechte nehmen zu. Gewaltandrohungen und rechtliche Drohungen gegen Freiwillige und Mitarbeitenden, die Desinformation bekämpfen, nehmen weiter zu. Anschuldigungen aufgrund vermeintlicher Voreingenommenheit und Untätigkeit durch jene, deren bevorzugte Version der Dinge in Wikipedia keinen Platz findet, kann durch Desinformationssprachrohre verstärkt werden.
Generative KI bringt neue Herausforderungen mit sich, aber auch Chancen. Regierungen stehen unter Druck, mehr Kontrolle auszuüben, da generative KI moralische Entrüstung auslöst. Der potenzielle Wert der menschgemachten Inhalte von Wikimedia in der Welt generativer KI ist enorm, doch um relevant zu bleiben, müssen wir den Bedrohungen der Integrität unserer Inhalte und unserer Community etwas entgegensetzen.
Trend 4 – Regulierung
Regulierung bietet Herausforderungen, Bedrohungen und Chancen, abhängig vom Rechtssystem
Mit großen neuen Plattformregeln in der EU und im UK haben wir es jetzt mit noch nie dagewesenen gesetzlichen Verpflichtungen zu tun, besonders im Bereich des Kinderschutzes und der verantwortungsvollen Nutzung von KI. Um existenzbedrohende behördliche Maßnahmen zu vermeiden – besonders jene im Sinne des Kinderschutzes – müssen wir den Verantwortlichen ein besseres Verständnis unseres Modells mitgeben.
Das Recht wird in wichtigen Rechtssystemen als Waffe gebraucht. Böswillige Klagen von Personen, die nicht möchten, dass nachprüfbare Informationen auf Wikipedia-Seiten erscheinen, haben in einigen europäischen Ländern Erfolg. Einige amtierende Staatschefs missbrauchen ihre Macht, um politische Gegner einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.
Einige politische Entscheidungsträger:innen sind daran interessiert, wie Wikimedia das öffentliche Interesse und nachhaltige Entwicklung fördert. In der Europäischen Union betrachten einige Politiker:innen Wikipedia als unterstützenswerte digitale öffentliche Infrastruktur, als Modell für eine Plattform, die Technologie zur Förderung eines sozialen Guts ohne übermäßige regulatorische Einschränkungen nutzt. UN-Institutionen fragen, wie unsere Projekte die Ziele für nachhaltige Entwicklung voranbringen können.